Teil 1: Was ich von meiner Reise gelernt habe
Suryalila, Andalusien
Mitte Februar habe ich mich nach fast zehn Monaten, außer kleinen Trips im Sommer 2020 als wir alle dachten Corona wäre schon vorbei, wieder auf die Reise gemacht. Eigentlich sollte es nur ein Monat sein, geworden sind daraus dann vier. Drei Monate im andalusischen Retreat Center „Suryalila“, ein Monat in Barcelona und eine Woche Yoga zum Abschluss in der Toskana. Was ich dabei gelernt habe, möchte ich mit euch teilen.
Tu es nur für Dich
Es war nicht meine erste Reise, aber es fühlte sich fast so an. Viele Monate war ich schon zuhause, habe mich nach meiner Weltreise mit meiner Schwester Ende März 2020 vor allem um den Aufbau meiner Selbstständigkeit gekümmert, wenig Freunde getroffen und wieder eine eigene Wohnung in Vorarlberg gemietet. Ich habe entweder von zuhause gearbeitet oder einige Tage in der Woche auch bei meiner Agentur in Bregenz, für die ich als Texterin arbeite, verbracht. Ich hab’s mir richtig gemütlich gemacht in meiner kleinen Komfortzone, viel ist ja in der Zeit neben der Arbeit nicht passiert. Aufstehen, Yoga, in Yoga-Hose vor den Computer, arbeiten, essen, spazieren gehen, schlafen und repeat. Der Alltag, wenn auch ein ganz anderer als sonst, hatte mich wieder. Ich weiß es trotzdem zu schätzen, dass ich diese schwierige Zeit in so einer privilegierten Situation verbringen konnte. Mein Business lief gut, ich hatte ein Dach über dem Kopf, genug zu essen, war gesund und konnte jeden Tag beruflich das tun, was ich schon immer wollte. Vor allem für die Begegnung mit Karin, der Chefin meiner Agentur, bin ich heute noch dankbar. Sie hat den Start in meine Selbstständigkeit um so vieles leichter gemacht. Manchmal trifft man die richtigen Menschen eben genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Breaking Free
Aber auch für meinen Mut bin ich dankbar, denn dieser hat mich in den letzten Jahren genau dahin geführt, wo ich heute bin. Ich habe immer daran geglaubt, dass ich irgendwann meine Chance bekommen werde. Wie, wann und wo wusste ich nicht genau, aber dass sie kommen wird, schon. Immer wieder den Schritt ins Ungewisse zu wagen und ins kalte Wasser zu springen, weil man nur dadurch wächst. Und wie man dabei wächst! Das wurde mir in den zwei Monaten in Andalusien klar. Direkt aus meinem einsamen Corona-dasein rein ins Community-Leben im Yoga-Retreat „Suryalila“. Ich wusste gar nicht, wie sehr ich das gebraucht habe. Ich bin mittlerweile richtig gerne allein, brauche auch viel Freiraum und Ruhe, um meine Gedanken und meine Erlebnisse einordnen zu können. Aber dass mir das soziale Leben so gefehlt hat, habe ich erst in Spanien wieder gemerkt. „Suryalila“, übersetzt „cosmic play of the sun“ kannte ich aus einer Yoga-Woche vor drei Jahren, wo ich schon einmal an diesem magischen Ort im Nirgendwo zwischen Sevilla und Cádiz war. Auf einer Anhöhe gelegen, ist dieses kleine „Workation“ Paradies, wo ich meine Sehnsüchte wieder stillen konnte. Ich war vom ersten Tag an Teil einer kleinen Familie aus Yogis, Freelancern, Permakultur-Kursteilnehmern und anderen Freigeistern, die die gleiche Idee hatten wie ich. Zusammen mit Mitbewohnern und zwei roten Katzen habe ich ein Haus geteilt, (fast) täglich Yoga gemacht und von dort gearbeitet. Mitten in der Natur, Frühlingssonne, grüne Wiesen und Hügel, Lamas, Alpakas, Katzen, Hunde, Pferde, zwei Mal am Tag vegetarisches Essen und die besten Sonnenuntergänge, die man sich vorstellen kann. Lockere, entspannte und tiefgründige Gespräche mit Menschen, die ähnliche aber auch ganz andere Lebensweisen führen. Mit Menschen, die ich in kürzester Zeit ins Herz geschlossen habe und mit denen ich eine tiefe Verbindung spürte, obwohl ich sie kaum kannte. Ich fühlte mich seit langer Zeit endlich wieder am Leben und „Zuhause“. Diese kleine coronafreie Oase reichte mir zum Glücklichsein. Ab und zu ging ich raus, vor allem am Wochenende, und besuchte mit Freunden die Orte, Städte, Strände und Berge in der Umgebung. Das Leben fühlte sich wieder leicht und frei an – zumindest für mich. Ich war ständig unter Menschen, brauchte kaum Zeit für mich selbst, konnte sie mir aber nehmen, wenn ich wollte. Das mag ich so an der „Yoga-Community“ – man kann, muss aber nicht. Good vibes only. Naja, fast!
Es gibt viele Arten der Liebe
Da war ja noch diese eine Sache mit der Liebe, oder so ähnlich. Ich bin seit über einem Jahr wieder Single und dass ich in diesen Monaten so viele interessante Menschen kennenlernen durfte, hätte ich mir bei weitem nicht gedacht. Eigentlich wollte ich mich endlich mal nur auf mich und meinen Seelenfrieden konzentrieren, die Artikel schreiben, die ich ständig nach hinten schob, die Bücher lesen, die ich immer schon lesen wollte, mich in meine Arbeit vertiefen und die Inspiration dieses Ortes auf mich wirken lassen. Aber wie das eben so ist im Leben, kommt es erstens anders und zweitens als man denkt. Auch die Chancen einen Mann kennenzulernen, der zu einem passt, sind in einem Yoga-Retreat nicht besonders hoch, auf zehn Frauen kommt vielleicht ein Mann. Und dennoch habe ich gerade mit den wenigen Männern, die während meiner Zeit auch dort waren, enge Freundschaften geschlossen. Aus der „Liebe“ wie wir sie kennen, ist im klassischen Sinne nichts geworden. Aber vor allem die Begegnung mit meinem Mitbewohner aus Schweden hat mir Erkenntnisse über die Liebe und über mich selbst gebracht, die ich für meinen Seelenfrieden gebraucht habe. Wie oft lernen wir heute noch jemanden in einer natürlichen Art und Weise kennen, lassen uns wirklich auf denjenigen ein, kennen seine Eigenheiten und Macken, seine Ängste, Träume und Wünsche? In Zeiten von Tinder und Co. kommen zu viele (hohe) Erwartungen ins Spiel und keiner hat mehr die Geduld und Zeit, sich wirklich auf einen Menschen zu konzentrieren. Ich habe zwar keine Liebesbeziehung gefunden, aber eine Freundschaft, die in kurzer Zeit so eng wurde, dass ich sie zunächst mit Liebe verwechselt habe. Aber manchmal steht man eben an verschiedenen Punkten im Leben und hat eine andere Aufgabe in der Beziehung. Meine war es vielleicht jemandem zu helfen, sich irgendwann einmal wieder auf die Liebe einlassen zu können. Viele meiner Freunde in „Suryalila“ waren Single, auf der Suche, in einer Beziehung oder haben auch dort zueinander gefunden. Die Liebe, in welcher Art auch immer, war immer präsent. Gerade nach so vielen Monaten des Abstandes, in einer Zeit, in der man möglichst wenig Menschen treffen konnte, ist mir erst hier wieder klar geworden: Wir sind alle auf der Suche nach Nähe, Zuneigung, Gemeinschaft, Anerkennung…und Liebe. Es ist das Gefühl, das uns alle miteinander verbindet.
Fang an zu leben
Auch etwas, das ich in „Suryalila“ gelernt habe und vor kurzem bei meinem zweiten Lieblingsautor Lars Amend (nach Paulo Coelho) gelesen habe: „Das Leben ist keine Therapiestunde. Geh raus in die Welt, erlaube dir Fehler, reflektiere, mache neue Fehler, aber vor allem: Fang endlich an zu leben!“ Wie wahr das doch ist. Viele der Menschen, die ich im Yoga-Retreat getroffen habe, haben mir von ihren Sehnsüchten und Wünschen erzählt. Dass sie auf der Suche sind, nach der Liebe, nach dem Job, der sie erfüllt, nach dem Sinn des Lebens. Viele von ihnen meditieren täglich, machen regelmäßig Yoga, setzen sich mit Persönlichkeitsentwicklung auseinander und sind auf einem „spirituellen“ Weg, wenn wir es so nennen wollen. Ich auch und mein Leben ist dadurch um vieles besser und einfacher geworden. Aber mein anderer Mitbewohner aus Holland hat in einer Unterhaltung einmal eine interessante Frage gestellt: „Meinst du, dass man sich auch zu sehr mit Selbstanalyse beschäftigen kann, anstatt einfach zu leben und daraus zu lernen?“ Ich habe immer wieder darüber nachgedacht und ich glaube, er hat Recht. Wer ständig analysiert und zu viel nachdenkt, der verpasst vielleicht die Chancen und Möglichkeiten, die einem das Leben immer wieder bietet. Ich glaube auch, dass man das Leben nur vorwärts leben, aber nur rückwärts verstehen kann. Sich etwas trauen, Fehler machen, die Richtung ändern, daraus lernen. Jeden Tag wieder aufstehen, die Krone richten, hinausgehen und sein Leben führen, so wie man es für richtig hält. Auch mal spontan sein, Spaß haben und das Leben in vollen Zügen genießen, denn es kann so schnell vorbei sein. Ist das nicht genau das, was uns lebendig macht? Liebe dich dafür, dass du es versuchst, würde Lars Amend sagen…I agree!